Von Hartz IV und Minijob zur OGS-Teamleiterin
Vor eineinhalb Jahren war sie noch Minijobberin, jetzt leitet sie dank einer Weiterbildung der lowtec das Team der OGS Düren-Derichsweiler in Trägerschaft des SkF: Nicole Fleschner.Foto: DiCV Aachen
Viele Jahre hat sich Nicole Fleschner mit Hartz IV und einem Minijob in einer Kindertagesstätte über Wasser gehalten. Jeden Cent zweimal umdrehen, bevor sie etwas für ihre beiden Kinder und sich kaufte, war Alltag. Das ist für die Alleinerziehende seit mehr als einem Jahr anders. Sie hat eine feste Anstellung in einer Offenen Ganztagsschule in Trägerschaft des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) Düren im Stadtteil Derichsweiler. Seit August 2022 ist die 33-Jährige sogar die Sprecherin des gesamten Teams. Möglich machte es eine Weiterbildung zur pädagogischen Begleitung in Schule und Kita der gemeinnützigen Arbeitsmarktförderungsgesellschaft low-tec mbH in Düren, eines Weiterbildungsträgers der evangelischen Gemeinde zu Düren.
Nicole Fleschner hatte von ihrer Fallmanagerin beim Jobcenter den Tipp bekommen. "Sie meinte, das Angebot der low-tec wäre etwas für mich", erzählt sie. Partner der Weiterbildung der low-tec ist neben dem Jobcenter unter anderem der SkF Düren. Er erkannte das Potenzial der zertifizierten Weiterbildung, um dem Fachkräftemangel im Offenen Ganztag zu begegnen. Eine Win-win-Situation für viele, auch für Nicole Fleschner. "Ich bin froh, nicht mehr vom Jobcenter abhängig zu sein und mein eigenes Leben zu haben", sagt sie.
Die Idee hinter der Weiterbildung ist einfach. "Sie nimmt Anleihe bei Teilqualifizierungen im gewerblichen Bereich, wie sie die low-tec auch anbietet", sagt Michael Zimmermann, Standortleiter der low-tec in Düren. Zur Zielgruppe gehören Menschen wie Nicole Fleschner. Durch ihren Minijob in einer Kindertagesstätte hatte sie Erfahrung in der Betreuung von Kindern. Als ihre heute sechs und zwölf Jahre alten Kinder noch jünger waren, hatte sie keine andere Möglichkeit, als einen Minijob anzunehmen. Aber auch Menschen mit Migrationshintergrund, die in ihrer Heimat im pädagogischen Bereich tätig waren oder eine entsprechende Ausbildung aufgenommen hatten, kommen für die Weiterbildung infrage. Sie umfasst sowohl pädagogische als auch rechtliche Bausteine. Fünf Monate dauert die Weiterbildung, die im Herbst 2021 erstmals startete. Sie erfolgt in Teilzeit-Unterricht, sodass auch Personen teilnehmen können, die sich zu Hause um Kinder kümmern müssen. Unterricht gibt es montags bis freitags von 8.30 bis 13.30 Uhr. Zwei zweiwöchige Praktika in einer Schule, einer Kindertagesstätte oder einer Offenen Ganztagsschule sind verpflichtend. Der SkF Düren als Partner der low-tec bietet regelmäßig solche Praktika an. Das Plus am Angebot der low-tec: "Wir haben die Weiterbildung so geplant, dass die Teilnehmenden im Anschluss an diese Qualifizierung eine Vermittlung in eine Beschäftigung erhalten", sagt Michael Zimmermann.
Michael Zimmermann von der gemeinnützigen low-tec GmbH in Düren (www.low-tec.de)Foto: DiCV Aachen
Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist groß: Als Nicole Fleschner im Frühjahr 2022 nach Ende ihrer Weiterbildung als Ergänzungskraft in der OGS anfing, hatte die Jobbörse der Agentur für Arbeit für Aachen und Umgebung nach Angaben der low-tec rund 50 Stellen in der Schulbegleitung und in Kindertagesstätten ausgeschrieben. Stefanie Heinrichs, stellvertretende Geschäftsführerin des SkF Düren, macht den großen Fachkräftebedarf an den Anmeldezahlen in den 26 Offenen Ganztagsschulen in Trägerschaft des Verbandes in Kommunen im Kreis Düren deutlich: "Wir haben jetzt allein in den OGS in der Stadt Düren 125 Kinder mehr als vor den Sommerferien." Gäbe es da Weiterbildungen wie die der low-tec nicht, wäre die Personalsituation in den OGS noch angespannter.
Stefanie Heinrichs vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Düren (www.skf-dueren.de)Foto: DiCV Aachen
Möglich ist dieses Modell nur, weil es für die Offene Ganztagsschule und die Integrationshilfe kaum Personalstandards gibt. Uli Lennartz, Geschäftsführer des SkF Düren, hofft, dass die Politik den Wert solcher Weiterbildungsansätze erkennt, vor allem im Hinblick auf den ab 2026 geltenden Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz. "Auf Landesebene muss kommuniziert werden, uns nicht der Chancen zu berauben, die in einer solchen Personalqualifizierung stecken", sagt er an die Adresse der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in NRW. Die Träger hätten ein hohes Interesse daran, aus ihrer Haltung und Erfahrung heraus die Personen zu qualifizieren, die sie für pädagogische Aufgaben für geeignet hielten. "Sichergestellt sein muss dann, dass die Träger ihrem Personal eine Fachberatung an die Hand geben, die jederzeit da ist und das Personal begleitet. Das sind wir den Mitarbeitenden, aber letztlich auch den Kindern und ihren Familien schuldig, wenn wir eine gute Arbeit abliefern wollen", sagt Lennartz.
Die Fachberatung des SkF Düren im Hintergrund zu haben war auch das entscheidende Kriterium dafür, dass Nicole Fleschner nach vier Monaten als Ergänzungskraft in der OGS Düren-Derichsweiler auf das Angebot des SkF einging, Teamsprecherin und damit Koordinatorin dieser OGS zu werden. "Ich habe gesagt: Wenn ich Hilfe bekomme, traue ich mir das zu", erzählt die 33-Jährige. Mit insgesamt acht Mitarbeitenden betreut das Team nun täglich 70 Jungen und Mädchen. Mit Rückblick auf das Weiterbildungsangebot der low-tec sagt Nicole Fleschner: "Ich fühle mich für meinen Job richtig gut vorbereitet, und ich werde weiterhin durch den SkF gut begleitet."
Auch Verwaltungsarbeit gehört zur Aufgabe von Nicole Fleschner als Teamleiterin der OGS Düren-Derichsweiler in Trägerschaft des SkF Düren.Foto: DiCV Aachen
Eine Anstellung in einer OGS oder in der Schulbegleitung muss übrigens nicht das Ende nach Besuch der Weiterbildung bei der low-tec sein. "Eine Teilnehmerin der Weiterbildung macht eine Ausbildung zu Erzieherin, zwei weitere werden Kinderpflegerin, eine ist im Studium", sagt Michael Zimmermann. Seit dem ersten Kursus, dem Nicole Fleschner angehörte, hätten mittlerweile 100 Personen - drei Viertel von ihnen sind Frauen - die Weiterbildung besucht. "Rund 80 Personen haben eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erhalten", ergänzt er, der Großteil beim SkF in Düren.
Neben der Möglichkeit, durch die Weiterbildung dem Fachkräftemangel zu begegnen, sieht Stefanie Heinrichs auch eine qualitative Weiterentwicklung in der OGS durch das so hinzugewonnene Personal. "Durch die Weiterbildungen werden auch Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund auf die Möglichkeit der Tätigkeit in der OGS aufmerksam. Wir spüren deutlich den Mehrwert unterschiedlicher kultureller Kenntnisse, die wir durch unser Personal in die Systeme bekommen", sagt die stellvertretende SkF-Geschäftsführerin.