Sprache ist Tür und Tor zum Menschen
Lernen und begegnen: Jede Woche kommt Vera Eke zum Café International der Caritas Aachen, um Migranten ehrenamtlich die deutsche Sprache zu vermitteln.Foto: DiCV Aachen
Vera Eke spricht betont langsam und deutlich: "Ich bin froh, dass ihr da seid, und ich sage: Herzlich willkommen." "Willkommen" schreibt sie mit einem Stift an das Whiteboard im Café International im Keller des Hauses der Caritas Aachen an der Scheibenstraße. Wie sie es schreibt und wie sie auftritt, macht deutlich: Vera Eke möchte Migrantinnen und Migranten nicht nur die deutsche Sprache beibringen. Sie möchte auch helfen, dass die drei Kursbesucherinnen und -besucher, die vor ihr sitzen, gut in Deutschland ankommen: der Mann aus Mazedonien, die Frau aus Afrika und die Frau, deren Muttersprache Arabisch ist. Heute ist der Beginn des ersten Anfänger-Sprachkurses nach Corona. Wer Kurse bei Vera Eke besucht, die ehrenamtlich für die Caritas Aachen tätig ist, soll sich in Deutschland zurechtfinden und Kontakte knüpfen können. Das ist der Anspruch der 71-Jährigen.
Sprachen liegen der Rentnerin, die bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand bei einem Reifenhersteller in Aachen als Fremdsprachenkorrespondentin gearbeitet hat. Neben Englisch spricht sie Französisch, und sie hat vor Jahren einmal begonnen, Jomba zu lernen, eine westafrikanische Sprache. "Da viele Migranten Englisch sprechen, ist die englische Sprache in den Kursen manchmal auch eine große Brücke", sagt Vera Eke.
Sprachkurs mit Kinderbetreuung
Seit November 2008 engagiert sie sich in der Integrationsagentur NRW in Trägerschaft der Caritas Aachen. Einmal pro Woche kommt sie derzeit für zwei Stunden ins Café International zum Sprachkurs. Am Anfang war das ein Kurs speziell für Frauen. Sie konnten ihre Kinder mitbringen. Während die Mütter Deutsch lernten, wurden ihre Kinder betreut. "Ohne diese Kinderbetreuung hätten die Frauen keine Chance gehabt", sagt Vera Eke. Bis heute hat sie Kontakt zu Absolventinnen ihrer Kurse. Ihre Augen strahlen, wenn sie erzählt, was aus Einzelnen geworden ist, dass sie heute beruflich fest im Sattel sitzen. "Da waren auch einige sprachliche Überfliegerinnen dabei, die sehr schnell gelernt haben", sagt die Rentnerin. Eke hat Interesse an den Menschen, die in ihre Kurse kommen.
Die arabischsprachige Frau, die jetzt in ihren neuen Kurs kommt, erkennt sie wieder. Sie war schon einmal in einem Kurs bei ihr, musste diesen dann aber abbrechen und nimmt nun einen zweiten Anlauf. Vor dem Eingang zum Café International nimmt Eke die Frau in den Arm: "Schön, dass du wieder da bist, wie geht es dir?", fragt sie. Die 71-Jährige hat etwas Mütterliches, manche Kursbesucher sprechen von ihr als der Kurs-Mama. Wenn sie von Problemen hört, die nichts mit dem Sprachkurs zu tun haben, versucht sie, zu helfen, indem sie an die Fachleute der Caritas verweist.
Auf dem Tisch stehen unbeschriebene Namensschilder, die Vera Eke gefaltet hat. Sie verteilt Stifte an die Kursbesuchenden. "Schreibt bitte eure Namen auf die Schilder", sagt sie und unterstützt ihre Aussage, indem sie ein Namensschild in die Hand nimmt und Schreibbewegungen darauf ausführt, während sie spricht. Die Kursteilnehmenden, die zumindest rudimentäre Deutschkenntnisse haben, verstehen und schreiben ihre Namen auf die Schilder. Danach nimmt die Kursleiterin einen Stift, geht zum Whiteboard und sagt: "Beim nächsten Mal bringt ihr bitte alle einen College-Block mit", und sie schreibt das Wort "College-Block" auf. Danach beginnt der Sprachunterricht.
Das Lernen von Sprache muss Freude machen, dabei hilft ihr Humor
Vor den Kursbesuchenden liegen zusammengeheftete Kopiervorlagen in ihren Muttersprachen oder in Sprachen, die sie beherrschen. Darauf sind Zeichnungen von Alltagsgegenständen zu sehen und die deutsche Bezeichnung. Die Kursteilnehmenden lesen die Begriffe vor: "der Ball", "die Ecke". Bei diesem Begriff blickt Vera Eke in ratlose Gesichter. Sie geht in eine Ecke des Raumes, wo sich die Außenwand des Hauses und die Wand zum Flur hin treffen. "Das ist eine Ecke", sagt sie. Den nächsten Begriff liest die arabischsprachige Kursteilnehmerin vor, die bereits einmal bei der Rentnerin in einem Kurs war: "die Ampel". Vera Eke fragt zurück: "Weißt du, welche Farben die Ampel zeigt?" "Rot, Gelb und Grün", antwortet die Frau. "Prima", lobt die Kursleiterin und kümmert sich dann darum, dass auch die beiden anderen im Kurs, die etwas ratlos schauen, verstehen, was sie gesprochen hat. "Wenn ihr etwas nicht versteht, hebt sofort die Hand und fragt", sagt sie freundlich. Aus jahrelanger Erfahrung mit den Sprachkursen, die viele besuchen, weil sie sich auf den Sprachkurs B1 vorbereiten wollen, weiß sie, dass sich Menschen zu Beginn der Kurse nicht trauen zu fragen.
Caritas-Vorstand Bernhard Verholen (l.) verleiht Vera Eke 2018 das Caritas-Ehrenkreuz in Silber. Rechts Katja Hartmann von der Integrationsagentur NRW.Foto: Patricia Bringas-Schelper
"Sprachen sind die Tür und das Tor zum Menschen", sagt Vera Eke. Wer mit anderen in Kontakt treten wolle, müsse Sprachen beherrschen. Und das Lernen der Sprache müsse Freude machen, sagt die Rentnerin, die so viel Humor hat, dass man merkt: Ein bierernster Sprachkurs ist mit ihr nicht zu machen. Sie versucht, ihre Kurse locker zu gestalten.
Dass die Menschen auch beim nächsten Mal immer wieder gerne kommen, freut die Kursleiterin. "Das ist auch ein Dank und eine Anerkennung für mich", sagt sie. Das mag auch daran liegen, dass Eke mehr möchte, als nur Sprache zu vermitteln. Sie macht gemeinsame Ausflüge mit dem Kurs, geht über den Markt und erklärt Alltägliches, informiert über Sitten und Gebräuche in Deutschland, damit die Migrantinnen und Migranten sich zurechtfinden. Sie organisiert aber auch gemeinsame Aktivitäten wie Mahlzeiten im Kurs, zu denen jeder Kursteilnehmer etwas beisteuert. Und gesungen wird bei ihr auch. "Dann hole ich Liederzettel raus uns sage: Wir sind jetzt der Caritas-Chor."
Qualität der Kurse spricht sich rum
Die Qualität des Unterrichts, den die Kursleiterin bei der Caritas anbietet, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Sie erzählt von einer jungen Frau, die bei der Caritas den Sprachkurs besucht hat und dann bei einer Bildungseinrichtung den Sprachkurs zur Erlangung des B1-Zertifikats absolvierte, mit dem eine selbstständige Verwendung der deutschen Sprache nachgewiesen werden kann. Der Lehrer habe sie gefragt, wo sie denn Deutsch gelernt habe, bevor sie sich zum Kurs angemeldet habe. "Dann hat sie ganz stolz geantwortet: ,Ich war bei der Caritas.‘ Das geht doch runter wie Öl", sagt Vera Eke.
Kontakt
Café International
Scheibenstraße 15
52070 Aachen
E-Mail: k.hartmann@caritas-aachen.de